Baden in Baden-Baden

Zum Thema Städtereise von Christine Barreith, 17.07.2012 23:20 Uhr

Einzigartig 
Wohlfühlen braucht einen schönen Rahmen. Entdecken Sie das einzigartige Ambiente im Friedrichsbad, in dem Sie ein faszinierend anderes Badeerlebnis genießen können. Begeben Sie sich auf den Weg zu innerer Harmonie und vollkommener Entspannung...“

Dies alles verspricht die 1. Seite des edel-matt Prospekts des Römisch-Irischen Friedrichsbads in Baden-Baden.
Stimmt irgendwie, um mich besonders wohl zu fühlen brauche ich einen schönen Rahmen, einzigartig ist das Ambiente ebenfalls, faszinierend anders ist das Badeerlebnis auch und ich war irgendwie auch auf dem Weg zur inneren Harmonie, aber mit der vollkommenen Entspannung ist mir dann doch noch Klaus-Dieter dazwischen gekommen,  aber lassen Sie mich von vorne beginnen.

Ich war neugierig geworden, als ich im Fernsehen vor ein paar Jahren eine Reportage über das Friedrichsbad in Baden-Baden gesehen hatte. Historische Gebäude üben generell eine enorme Anziehungskraft auf mich aus, besonders, wenn man sie in ihrer ursprünglichen Funktionsweise sogar noch „hautnah“ erleben kann, so wie hier.
Einmal im Jahr treffe ich mich seither mit einer französischen Freundin  in Baden-Baden zu einem WellnessWochenende.  In diesem Jahr hatten wir ein Angebot im Radisson Blu Badischer Hof gebucht. Das Hotel liegt absolut zentral im Herzen Baden-Badens und hat den Vorteil einer Tiefgarage im Haus, einer Wellness-Abteilung und eines großen Indoor -und etwas kleineren Outdoor-Pools (im Ambiente leider eher funktional, als passend zum historischen Gebäudeteil).

Glücklicherweise waren wir dann auch noch im historischen Teil untergebracht, mit der herrlichen doppelläufigen Treppe im Inneren des ehemaligen Klosters. Mit etwas Fantasie konnte man sich  ins 17. Jahrhundert zurück beamen und federgleich diese elitäre Treppe hoch schweben, um über eine Galerie mit Blick  ins gesamte Treppenhaus in sein Zimmer zu gelangen, und um dann am nächsten Morgen just for fun auf der  gegenüberliegenden Treppenseite wieder ebenso formschön hinunter zu  schweben. Hier wird morgens das Frühstücksbüfett in Szene gesetzt, ein tolles Ambiente, um edel zu frühstücken.

Das Wetter war herrlich an diesem letzten Wochenende im April, der Frühling ist wirklich eine empfehlenswerte Reisezeit für Baden-Baden. Vor der Trinkhalle und dem Kurhaus blühten hunderte  Tulpen und Narzissen und die Magnolienbäume waren gerade dabei, ihre ganze Pracht zu entfalten. Natürlich geht man nach Baden-Baden zum baden, aber nicht ausschließlich, man geht auch zum Leute gucken, wir jedenfalls, auf der Suche nach vergangenen Zeiten mit seinem eleganten, mondänen Publikum. Deshalb haben wir uns zum Abendessen auch ins Garibaldi (auf deutsch Schnellkochtopf :-) ) gesetzt, weil man dort direkt am Geschehen sitzt und  alles zu sehen bekommt, was sehen will und gesehen werden will. Abgesehen davon war auch das Essen sehr fein, wobei der Service erst gegen Ende unserer Sitzung zur Perfektion auflief. Aber macht nichts, die Aussicht war grandios, vom Herrn mit Knickerbockerhosen und schwarzen Lackschuhen dezent weiß gestreift, über Dame mit Federboa, Hut und Handschuhen und einer Pekinesenfamilie im Dirndllook auf Gassitour mit drei Welpen (ohne Papa, aber Mama und Wau, Wau, Wau), war alles vertreten. Wir haben uns  königlich amüsiert.

Nach unserer „SightseeingTour“ war im Hotel noch Wellness angesagt, später paddelten wir zufrieden durch die Pools und sogar der Mond lugte noch über den Tannenwipfeln hervor, ja das gibt es auch,  mitten in Baden-Baden, schöne alte Bäume...

Nach dem eleganten Frühstück am Sonntagmorgen kam die Krönung unseres Aufenthalts, in unserem mitgeführten Equipement hatten wir nur Kamm und Lippenstift. Aus dem Vorjahr wussten wir, dass das Friedrichsbad am Sonntagvormittag weniger frequentiert ist, als am Samstagnachmittag, vor allem dann, wenn das Wetter so schön ist, wie an diesem Sonntag.
Das Friedrichsbad wurde 1877 eröffnet  und galt damals als schönstes Badehaus seiner Zeit und wenn ich so die Badehäuser die ich kenne, Revue passieren lasse, ist es für mich, abgesehen vom historischen Bad im Hotel Nove Lasne in Marienbad, in der Tat bisher das Schönste geblieben.
Der herrliche Renaissancebau  lässt mich beim Betreten schon in eine andere Welt abtauchen, nur der Umkleidebereich mit seiner grünen Spanplattenoptik und der Schlüssel am Plastikarmband als einzig verbleibendes Kleidungsstück, sind Relikte aus der Neuzeit. Das Badezeremoniell folgt einem vorgeschriebenen Ritual, 17 Stationen werden durchwandert, kleine Hinweistafeln in den einzelnen Bereichen geben eine Empfehlung, wie lange man in der jeweiligen Station verweilen sollte.

Zuerst müssen wir  duschen, bei der Größe der Duschköpfe kann kein Fleckchen trocken bleiben. Da es für eine Frau immer von größtem Interesse ist, was die Konkurrenz so bietet, wage ich den ersten verstohlenen Blick, mit wem wir das außerordentliche Badevergnügen teilen. So ganz ohne Hüllen versuche ich  natürlich einen schwarzen Balken in der Mitte der Mitbadenden zu platzieren. Di, Mi, Do, So und Feiertag sind Gemischt-Badetage, also gehören auch die Herrn der Schöpfung  an diesem Sonntagvormittag zu unserem Badespektakel.
Ich bin beruhigt, die Konkurrenz scheint heute nicht besonders schlagkräftig zu sein. Nach dem Duschen geht es offensichtlich darum, körperlich eine gewisse Gradzahl zu erreichen. Die beiden Räume, die uns in  diesen Zustand bringen sollen, haben die leicht erhöhte Temperatur von 54°C und 68°C. Die Wände sind mit handbemalten Majolika Platten gekachelt und eine Reihe brauner Holzliegen laden zum hinliegen ein. Es scheint welche mit Rundhöcker und welche ohne zu geben, wir entscheiden uns aus Bequemlichkeitsgründen für die höckerlosen Liegen, andere sind im Moment ohnehin nicht frei. 15 Minuten steht auf der Tafel, ok, dann Mal los. Ich atme tief durch und finde alles äußerst gemütlich, zunächst ziehen die herrlichen bemalten Kacheln meine Aufmerksamkeit noch in ihren Bann, aber dann schließe ich die Augen und schmelze förmlich dahin. Langsam kriecht die Wärme in meinen Körper, bis ich nach 10 Minuten das Gefühl habe, dem Siedepunkt bedenklich nahe zu kommen. In diesem Moment höre ich ein zischelndes „Klausss-Dieter, wir müssen weiter!“ Ich wage einen Blick aus einem halb geöffneten Auge, an der Höckerliege neben mir steht eine Dame und bohrt dem Herrn, der sich darauf niedergelassen hatte, mit dem Zeigefinger in den erhöhten Bauch. Klaus-Dieter zuckt zusammen und schaut etwas verwirrt, aus Höflichkeit schließe ich schnell wieder die Augen, ich höre, wie er sich umständlich erhebt und von dannen hievt und offensichtlich gehörte der Höcker auch zu ihm, denn als ich die Augen wieder öffne, hat seine Liege dieselbe Innenwölbung, wie all ihre Liegenkolleginnen.

Wir hatten uns beim Kauf der Eintrittskarte für einen Durchgang  mit Seifenbürstenmassage entschieden, leider dauert sie nur 8 Minuten von den insgesamt 3,5 Stunden Badeaufenthalt, die wir bei dieser Variante zur Verfügung haben, aber dieser Luxus ist absolut empfehlenswert, er komplettiert das Badevergnügen auf wunderbare Weise.

Wir können uns also Zeit lassen, aber die innere Zeitmaschine hat sich ohnehin schon längst abgeschaltet. Nach den Dampfbadstationen lassen wir uns friedlich heiter durch die unterschiedlichen Wasserbecken treiben und ich bin jedes Mal aufs Neue fasziniert von dem herrlichen Kuppelsaal, der den Mittelpunkt des Friedrichsbades bildet.
Von Klaus-Dieter keine Spur, eigentlich müsste er jetzt auch gemütlich in den Wasserbecken planschen, wenn er sich an die Zeitvorgaben gehalten hätte, aber egal, wir sind jedenfalls auf direktem Weg zu Baumelseele und Entspannung pur.
Nach 2 1/2 Stunden entscheiden wir uns für ein finales Duschen, um dann bei der Abtrockenstation  Nr. 14 und der Eincremestation Nr. 15 anzukommen. Jetzt fehlt uns nur noch der Ruhe -und der Leseraum. Wir sind schon so relaxt, dass wir uns nur noch im Zeitlupentempo bewegen können, ein freundlicher junger Mann begleitet uns zu zwei  freien Liegen, geduldig wartet er, bis wir uns niedergelassen haben, um uns dann fachmännisch zu verpacken, ich komme mir vor wie ein Maikäfer im Seidenkokon..

Flüsternd erkundigt  sich der Verpacker noch nach eventuellen Weckwünschen und bei all dieser Fürsorge ist mir gar nicht aufgefallen, dass es offensichtlich auch hier Liegen mit und ohne Höcker gibt und dass sich auf der Liege neben mir justamente auch wieder so ein enormer Höcker aufbäumt. Als wir verpackt sind, wird es im Raum wieder ganz still und wir können mit dem „Ruhen“ beginnen.
Erst jetzt, im Zustand der inneren Besinnlichkeit höre ich es dann, das zunächst leise Zischen und Pfeifen, das langsam auf die Drehzahl eines  Turbodiesels anzuschwellen droht, schnell versuche ich mit der neu gewonnenen Gelassenheit noch weiter in meine inneren Tiefen vorzudringen und  rede mir ein, ganz allein auf der Welt zu sein,  aber vergeblich, der Turbodiesel hat inzwischen seine höchste Drehzahl erreicht und friedliches Ruhen wird selbst bei ausgeglichener Entspannungslage unmöglich.
Empört über so wenig Feingefühl versuche ich den Verursacher der  Lärmattacke mit einem verhaltenen Räuspern zu einem verschämten Stillstand zu bewegen, leider ohne Erfolg. Offensichtlich sind auch die anderen Ruhenden aus ihrem fröhlichen Tiefenbereich zurückgekehrt, denn von gegenüber kommt ebenfalls ein entschiedenes diesmal doppelläufiges Räuspern zu uns herüber.
Aber diese RäusperGegenattacke  lässt  den Höckerschläfer neben mir nur zu neuer Hochform auflaufen. Ich hebe den Kopf und sehe in der Runde, dass die anderen Ruhenden  gespannt in unsere Richtung blicken und mir kommt plötzlich der Gedanke, sie könnten meinen, dass ich in einer näheren Beziehung zu meinem lärmenden Nachbar stehe und erwarten, dass ich seinem Treiben Einhalt gebiete. Etwas hilflos versuche ich im Halbdunkel auszumachen, ob mein Nachbar eine zu ihm gehörende Nachbarin hat, aber die Liege rechts von ihm ist nicht belegt.
In der Wickelkindverpackung ist es mir nicht möglich eine imposante Position aufzubauen, um den freundlichen Verpacker per Zeichensprache zu ermuntern, etwas zu unternehmen, aber er hat sich ohnehin irgendwie  in Luft aufgelöst.
Schließlich gelingt es mir doch, mich aus eigener Kraft aus der Verpackung zu lösen und mich aufzusetzen und dann sehe ich es: der Höcker rechts neben mir gehört zu Klaus-Dieter, er hat den RUHEraum für sich entdeckt und geRUHt hier vergnüglich zu schnarchen wie ein  Pfeffersack im Südseewind... die Frau Gemahlin ist weit und breit nicht auszumachen, sicherlich hat sie schon das Weite gesucht, wofür wir uns jetzt auch entscheiden,  neidlos müssen wir zugeben, dass Klaus-Dieter zweifellos die bessere Entspannungstechnik hat...
so kommen wir wie neugeboren umgehend in die alte Welt zurück...und trösten uns mit dem Gedanken, dass wir ja nächstes Jahr wieder kommen werden....

Tipps:
Letztes Jahr hatten wir im Hotel Europäischer Hof logiert, ebenfalls sehr empfehlenswert!
Steigenberger Hotel Europäischer Hof
Kaiserallee 2
76530 Baden-Baden
Tel: +49 (0)7221 933-0
Fax +49 (0)7221 28831


Sehenswert ist das Burda Museum und Fabergé Museum